Vorträge Bildung und Erziehung
Prof. Dr. Carola Berneiser und Prof. Dr. Ludwig Salgo
Das Frankfurter Modell: Kinderschutz in der Lehre - Qualifikationsanforderungen an die Akteure im Kinderschutz
Das „Frankfurter Modell: Kinderschutz in der Lehre“, das auf eine Initiative von Lehrenden der Frankfurt University zurückgeht, verfolgt das Ziel, das Fachgebiet Kinderschutz im Studium zu verankern, um angehende und bereits für den Schutz von Kindern verantwortliche Fachkräfte angemessen auf ihre Aufgabe vorzubereiten und zu sensibilisieren. Einen wesentlichen Bestandteil nimmt der an der FRA-UAS mittlerweile curricular fest in den Studiengang B.A. Soziale Arbeit verankerte „Kinderschutzfachtag“ ein. In einem interdisziplinär gestalteten Onlinekurs zum Thema Kinderschutz anhand des Fallbeispiels „Mia“ bekommen Studierende der Sozialen Arbeit und auch Fachkräfte aus der Praxis notwendige Fachkenntnis und Handlungswissen vermittelt, um das Verständnis im Umgang mit Vernachlässigung und Formen der Gewalt an Kindern zu erlernen. Der Kurs kommt bereits bundesweit an über 25 Hochschulstandorten in der Bundesrepublik zum Einsatz und wird von der Fachpraxis für Fortbildungen stark nachgefragt. Das Konzept wird stetig weiterentwickelt, zuletzt ist der „Kinderschutzfachtag Schule“ entstanden, der alle Lehrkräfte an hessischen Schulen adressiert. Auch LehrerInnen, die häufig die einzigen AnsprechpartnerInnen für Schulkinder sind, sollen die Angst vor dem Thema durch den Weiterbildungskurs verlieren und die nötige Handlungskompetenz erlernen.
Das Frankfurter Modell: Kinderschutz in der Lehre wird von zwei der InitiatorInnen und Projektleitungen des Projektes vorgestellt. Zusätzlich erfolgt ein Überblick über neue rechtliche Entwicklungen im Kinderschutz.
Zur Person: Prof. Dr. jur. Carola Berneiser hat die Professur an der Frankfurt University of Applied Sciences für das Fachgebiet Familienrecht, Kinder- und Jugendhilferecht, Kinderschutz inne. Ihre Schwerpunkte in Ihrer Forschung sind Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII Kommentierungen) und Interdisziplinarität, Kinderschutz in der Lehre, (Pflege-)Kindschaftsrecht und Familienverfahrensrecht. Das Projekt "Frankfurter Modell-Kinderschutz in der Lehre" (2018) hat den Hanse Merkur Preis erhalten und die Hochschulperle des Monats Januar zum Thema "Lehrkräftebildung neu gestalten" ging an das Projekt Kinderschutz-Fachtag Schule.
Zur Person: Prof. Dr. jur. Ludwig Salgo ist apl. Professor am Fachbereich Rechtswissenschaft an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Schwerpunkte in seiner Forschung und Lehre sind Familienrecht, Sozialrecht (SGB VIII), Verhältnis
Eltern-Kind-Staat, behördliche und gerichtliche Verfahren, Trennung/Scheidung/Sorge- und Umgangsregelung, Rechtsvergleichung/Kindeswohlgefährdung und Intervention. Er ist Fellow am Centre for Social Policy, Dartington.
Prof. Dr. Astrid Boll & Prof. Dr. Remsperger-Kehm
Pädagogisches Handeln zwischen Feinfühligkeit und verletzendem Verhalten
Die feinfühlig gestaltete Fachkraft-Kind-Interaktion gilt heute als zentraler Schlüssel für die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern und für die Unterstützung erfolgreicher und nachhaltiger Lernprozesse. Für pädagogische Fachkräfte lohnt es sich deshalb, ihr feinfühliges Antwortverhalten bzw. ihre sensitive Responsivität (Remsperger 2011) genauer zu betrachten, um die Qualität ihrer pädagogischen Arbeit zu verbessern. Verschiedene Ursachen führen dazu, dass ein zu Beginn feinfühliges Verhalten in ein verletzendes, mitunter auch sehr machtvolles Verhalten mündet.
Im Vortrag nehmen wir die Merkmale feinfühligen und verletzenden pädagogischen Handelns auf Grundlage aktueller Forschungsergebnisse sowohl theoretisch als auch praktisch in den Blick, um sie besprechbar für die Praxis zu machen.
Zur Person: Prof. Dr. Astrid Boll ist Erzieherin und Sozialpädagogin. Sie lehrt und forscht sie an der Hochschule Rhein-Waal. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Kinderrechte und Kinderschutz, Elementardidaktik, Fachkraft-Kind-Interaktionen, Kreativität und Praxis der pädagogischen Arbeitsqualitätsentwicklung in der Frühen Bildung.
Zur Person: Prof. Dr. Regina Remsperger-Kehm ist Sozialpädagogin und Erziehungswissenschaftlerin. Sie lehrt und forscht als Professorin für Frühkindliche Bildung an der Hochschule Fulda. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Feinfühligkeit/Sensitive Responsivität in Fachkraft-Kind-Interaktionen, Kinderrechte, Kinderschutz, Gesundheitsförderung.
Fea Finger
Vom Adultismus zur Partizipation- mit gelebten Kinderrechten den Kinderschutz stärken
Partizipation ist ein Kinderrecht, das in vielen Kindertageseinrichtungen umgesetzt wird. Doch die Meinungen, wie und wo Kinder im Alltag teilhaben und mitgestalten können gehen auch innerhalb der Kita- Teams oft weit auseinander. Dieser Vortrag widmet sich daher zunächst dem Machtgefälle zwischen Kindern und Fachkräften in Kindertageseinrichtungen und zeigt auf, wie wir mit gelingender Partizipation Adultismus kleiner werden lassen und Kinderschutz stärken können.
Zur Person: Fea Finger ist Kindheitspädagogin B.A, Autorin, Weiterbildnerin und Podcasterin.
Jan Große
Das Bildungszentrum Hermann Hesse – eine deutschlandweit einzigartige Schule für junge Erwachsene mit einer Sucht- und/oder psychischen Erkrankung
„Das Schönste auf der Welt ist für mich, glaube ich, dass ich Mensch werden darf und dass ich das bei euch werden darf!“
Ellena (ehem. Schülerin des BZH)
Das Bildungszentrum Hermann Hesse – Schule für neue Chancen bietet seit über 50 Jahren jungen Menschen, die auf Grund ihrer Sucht- oder psychischen Erkrankung im regulären Schulsystem nicht erfolgreich sein konnten, die Möglichkeit, ihren Schulabschluss nachzuholen – vom Haupt- und dem Realschulabschluss über die Fachhochschulreife (schulischer Teil) bis zum Vollabitur.
Kleine Klassen, ein respektvoller, zugewandter Umgang auf Augenhöhe und der Wunsch bzw. Wille, das Leben eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu führen, sind wichtige Faktoren, damit das Ganze gelingen kann. So konnten seit Beginn der Schule im Jahr 1971 mittlerweile 1.684 Menschen ihren Abschluss am BZH erreichen und somit wieder „teilhaben“ am Leben in der Gesellschaft.
Zur Person: Jan Große ist gelernter Gymnasiallehrer für die Fächer Deutsch, Sport und Englisch. Er arbeitet seit 25 Jahren am BZH und ist dort seit 2011 Schulleiter.
Prof. Dr. Milena Noll
Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Familien und im sozialen Nahraum
Familie gilt oft als Schutzraum – zugleich zeigt sich, dass sie auch ein Ort struktureller Verletzbarkeit für Kinder sein kann. Der Vortrag beleuchtet die besondere Gefährdung von Kindern im familiären Nahraum auf Basis aktueller Daten aus Kriminalstatistik, Dunkelfeldstudien und Täteranalysen.
Im Mittelpunkt stehen Berichte von Betroffenen, die sich an die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs gewandt haben. Diese zeigen, wie schwer es Kindern fällt, familiäre sexualisierte Gewalt zu benennen – aus Loyalität, Angst oder Orientierungslosigkeit. Thematisiert werden auch die Rolle der Mutter-Kind-Beziehung, gesellschaftliche Reaktionen und Barrieren im Hilfesystem.
Der Vortrag fragt: Wann wenden sich Kinder an Vertrauenspersonen – und was bedeutet das für die Praxis im Kinderschutz? Abschließend werden zentrale Impulse für eine institutionelle Verantwortungskultur vorgestellt, die Schutz, Partizipation und Aufarbeitung verankert.
Zur Person: Milena Noll ist Professorin für Kinderschutz in der Sozialen Arbeit mit dem Schwerpunkt auf Prävention, Intervention und Hilfen im Kontext von Gewalt. In der Lehre beschäftigt sie sich u. a. mit interdisziplinären Perspektiven auf Kinderschutz, sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sowie präventiven Ansätzen. Sie koordiniert und leitet die Entwicklung des interdisziplinären Masterstudiengangs „Kinderschutz“ in Kooperation mit der Medizinischen Fakultät der Goethe-Universität Frankfurt. Ehrenamtlich ist Milena Noll Mitglied der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Limburg sowie im Kuratorium Kinderrechte der Caritas Limburg/Lahn.
Annette Vogt Widmer
Ombudschaftliche Arbeit nach §9a - Bedeutung für den Elementarbereich in der Praxis
Kinderrechte sind nicht nur Theorie – sie brauchen Räume, in denen sie lebendig werden. Die Ombudsstelle für Kinder- und Jugendrechte in Hessen ist eine unabhängige Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche und ihre Bezugspersonen – auch im Kontext von Schulsozialarbeit, Betreuung und KiTas. Wir stellen in diesem Vortrag vor, wer wir sind, wie wir arbeiten und wie wir Kindern und Jugendlichen dabei helfen wollen, ihre Rechte zu verstehen und für sich einzustehen. Es geht um Zuhören, Ernstnehmen und Stärken – und um die Frage, wie ein unterstützendes Netzwerk aussehen kann. Lernen Sie uns kennen, kommen Sie mit uns ins Gespräch und lassen Sie sich neugierig machen auf neue Wege im Umgang mit Kinderrechten!
Zur Person: Annette Vogt Widmer, stellvertretende Geschäftsführerin und Beraterin der Ombudsstelle für Kinder- und Jugendrechte in Hessen e.V.
Als Rechtsanwältin unterstützt sie die Ombudsstelle sowie die ratsuchenden jungen Menschen und deren Familien insbesondere auch in rechtlichen Themen und setzt sich für Kinder- und Jugendrechte ein.
Dr. Nicole Wilhelm
Herausgeforderte Kinder – herausgeforderte Erwachsene
„Bevor ein Kind Schwierigkeiten macht, hat es welche.“ Alfred Adler (1870-1937)
Zunehmend mehr Kinder und Jugendliche zeigen mit ihrem Verhalten, dass sie in ihrem Leben herausgefordert sind. Was können Erwachsene dazu beitragen, Kinder und Jugendliche in ihren essenziellen Grundbedürfnissen zu versorgen, so dass diese sich gut entwickeln können und gleichzeitig auch die Erwachsenen in dieser Zusammenarbeit nicht überlastet werden?
Zur Person: Dr. Nicole Wilhelm ist Fortbildnerin, Autorin und Neurowissenschaftlerin.
Sylvia Löffler
Die Umsetzung der Kinderrechte im Alltag lebendig gestalten - Ein interaktiver Impulsvortrag für pädagogische Fachkräfte in Kindertagesstätten
Seit über 30 Jahren sind die Kinderrechte in Deutschland geltendes Recht – doch wie können wir sie im pädagogischen Alltag wirklich lebendig gestalten und was bedeutet das für die Kinder, die Eltern und die Fachkräfte?
Kinder sind von Geburt an Träger eigener Rechte und keine kleinen Erwachsenen in Wartestellung. In diesem praxisorientierten Vortrag entdecken Sie, wie Sie die UN-Kinderrechtskonvention konkret und kindgerecht in Ihrem Kita-Alltag integrieren können und damit eine Kultur der Wertschätzung, des respektvollen und würdevollen Miteinanders und der Partizipation schaffen.
Zudem schauen wir auf Ihre individuellen Möglichkeiten, die Kinderrechte im Alltag zu leben. Sie erhalten wertvolle Praxisbeispiele und die Gelegenheit, die bisherige Umsetzung in Ihrer Institution zu überprüfen.
Zur Person: Sylvia Löffler ist Erzieherin und Heilpädagogin und hat im Laufe ihrer beruflichen Biografie viele Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern und Eltern sowie unterschiedlichen Hilfesystemen machen können. Sie ist zudem Kinder- und Jugendtherapeutin, Gesprächstherapeutin, Supervisorin und Systemischer Coach. Sie studierte Sozialmanagement und wurde Trainerin für das Zürcher RessourcenmodellⓇ. Seit 7 Jahren ist sie freiberuflich als Referentin, Trainerin und Coach unter anderem auch für das Land Hessen im Rahmen der BEP-Fortbildungen tätig.
Dr. Udo Nabitz und Sabine John
Kreativität und systematische Qualitätsentwicklung - ein Reisebericht
„PDCA-Zyklus“, „SWOT-Analyse“, „Benchmarking“, „Prozess-Landkarte“: die Kürzel, die im professionellen Qualitätsmanagement effiziente Methoden und systematische Vorgehensweisen bezeichnen, lesen sich für die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Fachteams wie grauenvoller QM-Jargon: weit weg von ihrer Identifikation mit ihren Arbeitsaufträgen, ihren Hilfeleistungen für eine herausfordernde Klientel oder ihren Coaching-Qualitäten in Beratungs- und Therapieprozessen.
IN DER TAT: Qualitätsmanagement kann, bürokratisch praktiziert, in exzessiver Anfertigung von formalen Nachweisen und Aktenordnern voller Belege für’s Audit münden. ABER: Engagement für Qualität kann, kreativ verstanden und angegangen, auch richtiggehend begeistern.
In diesem Workshop geht es um das Spannungsverhältnis zwischen QM-Systematik und begeisterter Qualitätsverbesserung, die – das ist unsere Überzeugung – (fast) alle Mitarbeiter:innen zu motivieren vermag, sofern sie nicht innerlich gekündigt haben oder bräsig ihre Zeit absitzen wollen.
JJ hat vor über 30 Jahren beim niederländischen Suchthilfeträger und seinerzeitigen Gewinner des Niederländischen Qualitätspreises JELLINEK in Amsterdam vieles abgeschaut und in die eigenen Rahmenbedingungen und Praxisfelder übersetzt.
Der Workshop startet mit einer kurzen Zeitreise : Im Interview mit Dr. Udo Nabitz, dessen Ideen und Anregungen in den 1990er Jahren den Weg aus den Niederlanden nach Frankfurt fanden, werden einige seinerzeit elektrisierende Entdeckungen und Lernprozesse zwischen Amsterdam und Frankfurt nachgezeichnet. Sabine John, die heute als Qualitätsbeauftragte die Qualitätspolitik von JJ moderiert, demonstriert am Beispiel aktueller Entwicklungsaufgaben, wie auch heute und in Zukunft kreative Qualitätsentwicklung praktiziert werden kann.
Moderation: Werner Heinz