Vorträge Suchthilfe
Claire Bergs
Das stille Rufen des Körpers – Theoretische Annäherungen an die Ausdrucksformen von Essstörungen
Essstörungen gehören zu den komplexesten Störungsbildern im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter. Sie sind weit mehr als auffälliges Essverhalten: Sie spiegeln ein Ringen um Selbstwert, Identität, Autonomie und Zugehörigkeit. In diesem Vortrag werden verschiedene theoretische Perspektiven auf Essstörungen vorgestellt, die dabei helfen, die Dynamiken hinter dem Symptom zu verstehen. Anhand psychologischer Modelle wird beleuchtet, welche Rolle Faktoren wie Kontrolle, Ambivalenz und Beziehungserfahrungen spielen und wie diese in das klinische Bild hineinwirken. Die Teilnehmenden erhalten einen Einblick in zentrale theoretische Erklärungsansätze, die nicht nur das Verständnis für die Komplexität von Essstörungen vertiefen, sondern auch Impulse für die eigene professionelle Haltung im Umgang mit Betroffenen geben.
Zur Person: Claire Bergs ist approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie. Die Ausbildung absolvierte sie an der HAIP in Hanau. Seit mehreren Jahren arbeitet sie schwerpunktmäßig mit Menschen mit Essstörungen, unter anderem im Forum für Essstörungen in Wiesbaden und derzeit am Frankfurter Zentrum für Essstörungen.
Prof. Dr. med. Rainer Thomasius
Die Dringlichkeit von frühen Interventionen für jugendliche Cannabiskonsumierende
Cannabiskonsum ist in Deutschland der häufigste Anlass für eine Drogenberatung und -therapie. 9 Prozent aller Cannabiskonsumierenden entwickeln eine Abhängigkeit. Bei den in Pubertät und Adoleszenz täglich oder fast täglich konsumierenden Jugendlichen sind dies 25 bis 50 Prozent. Vor dem Hintergrund sinkender Risikowahrnehmung für die Gesundheitsschäden des Konsums und steigender THC-Gehalte in den Cannabisprodukten, ist zukünftig von einer Zunahme riskanter Konsummuster, einem Anstieg der Krankheitslast und einer vermehrten Inanspruchnahme von Beratung und Behandlung auszugehen. Die in den Arbeitsfeldern der Sucht-, Jugend- und Flüchtlingshilfe Tätigen sind häufig der erste Ansprechpartner für riskant konsumierende Jugendliche oder deren Sorgeberechtigte. Notwendig sind suchtspezifische Kenntnisse, eine enge Vernetzung der Leistungserbringer und die Bereitstellung früher Interventionen.
Im Vortrag werden die gesundheitlichen Gefahren, negativen Folgen und Langzeiteffekte des Cannabiskonsums auf die altersgerechte physische, psychische und soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auf der Grundlage entwicklungspsychologischer und entwicklungspsychopathologischer Erkenntnisse dargestellt. Weiterhin werden die Ansätze der kinder- und jugendpsychiatrischen Suchttherapie sowie die Konsequenzen des Cannabisgesetzes (CanG), welches Erwachsenen den Konsum, den privaten Anbau und den nichtgewerblichen Eigenanbau in Anbauvereinigungen erlaubt, für die medizinische Versorgung von minderjährigen Cannabiskonsumierenden aufgezeigt. In Deutschland haben Fachgesellschaften und Verbände appelliert, die Teillegalisierung für Erwachsene nicht zulasten eines gesunden Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft auszuführen.
Zur Person: Prof. Dr. med. Rainer Thomasius ist der ehem. Ärztliche Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Er ist Vorsitzender der Gemeinsamen Suchtkommission der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaft und Verbände (DGKJP, BAG KJPP, BKJPP), Past-President der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG-Sucht) und Mitautor der S3-Leitlinien Tabak-, Alkohol- und Medikamentenbezogene Störungen sowie Koordinator der aktuellen S3- Leitlinie Cannabisbezogene Störungen. Thomasius beschäftigte sich wissenschaftlich mit den Ursachen und Auswirkungen von Substanzmissbrauch und den verhaltensbezogenen Suchtstörungen sowie der Therapie- und Präventionsforschung. Er ist Autor von 16 Fachbüchern sowie über 450 wissenschaftlichen Beiträgen in Fachjournalen und Fachbüchern. Zuletzt leitete er im Rahmen des BMBF-Förderschwerpunktes „Kinder- und Jugendgesundheit“ den Forschungsverbund “IMAC-Mind: Improving Mental Health and Reducing Addiction in Childhood and Adolescence through Mindfulness: Mechanisms, Prevention and Treatment” sowie den vom G-BA Innovationsfonds geförderten Verbund „Res@t - Ressourcenstärkendes Adoleszenten- und Eltern-Training bei Medienbezogenen Störungen“.
Ulrich Claussen
Cannabisspezifische Interventionen
Die S3-Leitlinie zur Behandlung cannabisbezogener Störungen Inhalte und Implikationen für Beratung und Behandlung
Mit der kürzlich entwickelten S3-Leitlinie zur Behandlung cannabisbezogener Störungen liegt eine fundierte aktuelle Grundlage für Beratung und Behandlung der Zielgruppe vor. Evidenzbasierte und belastbare Erkenntnisse können das Eingehen auf Bedarfe bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen verbessern, wenn sie Eingang in die Praxis finden. Anliegen dieses Vortrages ist es, einem möglichst breiten Fachpublikum Erkenntnisse und Nutzbarmachen der Leitlinie näherzubringen.
StACK - Stationäres Abstinenztraining für Cannabiskonsumierende
Das StACK-Programm wird im Therapiedorf Villa Lilly und der Therapeutischen Einrichtung Eppenhain (StACK4U) mit Cannabisabhängigen durchgeführt, bei denen eine ambulante Therapie oder Rehabilitation alleine nicht ausreicht. Das Programm erscheint besonders geeignet, wenn die nachstehenden Merkmale vorliegen:
- ausgeprägter körperlicher Entzug von Cannabis, erhöhte Rückfallgefährdung, bisher erfolglose Therapieversuche, begleitende psychische Störung, belastende psychische und soziale Folgen des Konsums.
Ziele von StACK: Abstinenz von Cannabis und anderen Suchtmitteln, Erweiterung der psychosozialen Kompetenzen und Verbesserung der sozialen und beruflichen Integration. Das stationäre Programm ist auf eine Dauer von 4 Monaten angelegt.
Appstinent - Gruppenprogramm für Cannabiskonsumierende
Appstinent wird seit 2025 als neues indikatives Gruppenprogramm für Jugendliche und Erwachsene mit problematischem oder abhängigem Cannabiskonsum in ambulanten Einrichtungen der JJ-Suchthilfe erprobt. Es umfasst zehn Sitzungen in wöchentlichem Turnus. Das Gruppenprogramm wird ergänzt durch eine darauf abgestimmte Appstinent-App mit ergänzenden Informationen, Challenges und unterstützenden Angebote.
Zur Person: Ulrich Claussen arbeitet als niedergelassener psychologischer Psychotherapeut in einer eigenen Praxis. Als freiberuflicher Referent und Dozent bietet er Fortbildungsveranstaltungen und Vorträge zu Themen aus der Psychotherapie an. Ein Schwerpunkt in seiner beruflichen Tätigkeit liegt auf der Psychotherapie von Abhängigkeitserkrankungen. Er arbeitete an der S3-Leitlinie zur Behandlung cannabisbezogener Störungen mit und entwickelte als ehemaliger Leiter der Therapeutischen Einrichtung Auf der Lenzwiese und der bei JJ durchgeführten Ambulanten Rehabilitation Sucht das stationäre Abstinenztraining für Cannabiskonsumierende (StACK) und ein App-unterstütztes Gruppenprogramm für Menschen mit problematischen Cannabiskonsum (Appstinent).
Workshop: Frühinterventionen bei jugendlichem Suchtmittelkonsum - Die Praxis
Der Workshop nimmt die Anregungen aus den vorausgehenden Vorträgen von Prof. Dr. med. Rainer Thomasius und Ulrich Claussen auf und präsentiert Konzepte, Berichte und praktische Erfahrungen aus ausgewählten substanzspezifischen Beratungs- und Behandlungsangeboten für jugendliche Cannabiskonsumierende.
In Kleingruppen werden Strategien zur Verbesserung der Erreichbarkeit mit Frühinterventionen für gefährdete und abhängige Jugendliche thematisiert: dabei werden insbesondere auch die Rollenperspektiven der möglichen Kooperationspartner Schule, Jugendamt und Jugendhilfe, Polizei und Familien sowie die aktuellen Erfahrungen mit diesen „Stakeholdern“ des Jugendschutzes ausgetauscht.
Zu den Personen:
- Sebastian Messer (ZJS Hochtaunuskreis) Frühinterventionen im Suchthilfeverbund JJ - Zahlen, Indikatoren und aktuelle Entwicklungen
- Maren Holtbecker (SHZ Wiesbaden) Frühinterventionsprojekte FreD und HaLT und das Pilotprojekt APPstinent im Suchthilfezentrum Wiesbaden
- Katharina Munz (Th.E.Eppenhain) Suchtmittelabhängige Jugendliche in der stationären Jugendhilfe: Hätten - im Rückblick auf ihre Entwicklung - früheren Interventionen eine Chance
- Rebecca Wilhelm (JBS am Merianplatz und Soz.Päd.Familienhilfe) Erreichbarkeit für Frühinterventionen - 45 Minuten Kleingruppen mit Rollenpersektiven Polizei, Jugendhilfe, Suchtberatung, Angehörigenarbeit
Barbara Mühlheim, Andreas Hecht, Wolfgang Barth & Andreas Henke
Krisenhilfe in der Drogenszene: bedingungslos oder zielorientiert? Was macht Sinn? Was wirkt? Was ist Ideologie? (Panel)
Konsumräume, Notschlafeinrichtungen, Tagesaufenthalt und medizinische Versorgung für akut und hochgradig abhängige Drogenkonsumierende gehören in vielen Großstädten zur Grundausstattung des Hilfesystems und haben sich, insbesondere in Kombination mit Angeboten zur Opiatsubstitution, als Anlaufstellen für eine medizinische und psychosoziale Basis-Versorgung von Heroinabhängigen sehr bewährt. Über die Hilfen für Betroffene hinaus haben sie auch im Sozialraum Stadt eine wichtige Funktion, indem sie das Elend offener Drogenszenen in kontrollierte Ausweichräume kanalisieren und dem Ausufern von öffentlichem Substanzkonsum und Drogenelend entgegenwirken. Daraus können allerdings Zielkonflikte entstehen, die aufgrund der Verbreitung des Crack-Konsums und seiner besonderen Dynamik aktuell verschärft werden.
Sowohl in der Politik und Verwaltung als auch bei den Betreibern von Krisenzentren ist ein pragmatischer Umgang mit diesem Zielkonflikt nicht immer selbstverständlich: das Arbeitsfeld lädt offensichtlich auch zur Eigenprofilierung mit drogen- und ordnungspolitischen Grundsatz- und Maximalpositionen ein.
Das Panel befasst sich exemplarisch mit unterschiedlich akzentuierten und in örtlichen Hilfesystemen unterschiedlich vernetzen Angeboten zur Krisenintervention in Frankfurt, Köln und Bern (Schweiz).
Zu den Personen: Barbara Mühlheim war Leiterin der Drogenabgabestelle KODA und 30 Jahre lang Mitglied des Kantonsrats Bern. Sie ist derzeit engagiert bei der Begleitung und Umsetzung des kantonalen Polizeigesetzes und des neuen Jugendförderschutzgesetzes im Kanton Bern (Schweiz). Andreas Hecht ist Sucht- und Sozialtherapeut und war bis 2024 Fachbereichsleiter und Leiter der Suchthilfe am Hauptbahnhof des SKM Köln.
Wolfgang Barth ist Leiter des Drogennotdienstes Frankfurt (JJe.V.).
Andreas Henke ist Leiter des Streetwork-Projekts Offensive Sozialarbeit (OSSIP) im Frankfurter Bahnhofsviertel (JJ e.V.).
Kokainabhängigkeit: Die Lage und die Trends im Drogenmarkt und Modelle für spezialisierte Beratung und Behandlungen
Trotz der seit Jahren stetig und aktuell rapide wachsenden Bedeutung von Kokain im Drogenmarkt erscheint der Erreichungserfolg der Suchthilfe bei Kokainabhängigen überschaubar. Zwei Panels beschäftigen sich mit der Lage und den absehbaren Entwicklungstendenzen des Kokainkonsums sowie mit Beispielen für eine gezielte Ansprache von Kokainkonsumierenden als Zielgruppe der Suchthilfe.
Kokain I: Die Lage – die Prognosen (Panel)
Das Panel bietet eine Übersicht über die aktuelle und prognostizierte Entwicklung anhand von Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes, der deutschen und europäischen Suchthilfe-Statistik, der Befunde aus dem Dokumentationssystem COMBASS der Hessischen Suchthilfe sowie dem Monitoringsystem MOSYD zum Suchtmittelgebrauch von Jugendlichen.
Expert:innen im Panel
- Dr. Bettina Fehlings, Bundeskriminalamt
- Carlotta Riemerschmid, Institut für Therapieforschung, IfT München
- Dipl. Psych. Eike Neumann-Runde, Institut für Sucht- und Drogenforschung, ISD Hamburg (COMBASS)
- Prof. Dr. Bernd Werse, Goethe-Universität und University for Applied Sciences, Frankfurt (MOSYD)
Kokain II: Interventionen (Panel)
Spezialisierte Beratungs- und Therapiekonzept für Konsumierende von stimulierenden Substanzen wie Kokain, Amphetamin und Crystal Meth sind der „konventionellen“ Sucht- und Drogenberatung hinsichtlich ihres Erreichungserfolgs in dieser Zielgruppe deutlich überlegen. KOKON in Berlin hat in der ambulanten und stationären Suchthilfe eine Pilotfunktion für die Entwicklung spezialisierter Behandlungskonzepte und hat die Entwicklung einer Fachstelle Kokain im Suchthilfezentrum Bleichstraße seit 1995 (inzwischen integriert in das Haus der Beratung Eschenbachstraße) wesentlich inspiriert. Hier wurde außerdem eine enge Zusammenarbeit mit der Psychiatrischen Ambulanz der Klinik Hohemark bei der Behandlung von Kokainkonsumierenden mit ADHS und anderen psychiatrischen Erkrankungen entwickelt.
Expert:innen im Panel
- Hanspeter Eckert, Psychologischer Psychotherapeut, Leiter von KOKON Berlin
- Frank Gottschalk, Dipl.Psych, Sucht- und Soziotherapeut im Haus der Beratung Eschenbachstraße (JJ) Frankfurt a.M.
- Dr. Dietmar Seehuber, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. 1999 bis 2023 Chefarzt in der Klinik Hohemark und der Psychiatrischen Ambulanz Burgstraße Frankfurt
Dr. Udo Nabitz und Sabine John
Kreativität und systematische Qualitätsentwicklung - ein Reisebericht
„PDCA-Zyklus“, „SWOT-Analyse“, „Benchmarking“, „Prozess-Landkarte“: die Kürzel, die im professionellen Qualitätsmanagement effiziente Methoden und systematische Vorgehensweisen bezeichnen, lesen sich für die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Fachteams wie grauenvoller QM-Jargon: weit weg von ihrer Identifikation mit ihren Arbeitsaufträgen, ihren Hilfeleistungen für eine herausfordernde Klientel oder ihren Coaching-Qualitäten in Beratungs- und Therapieprozessen.
IN DER TAT: Qualitätsmanagement kann, bürokratisch praktiziert, in exzessiver Anfertigung von formalen Nachweisen und Aktenordnern voller Belege für’s Audit münden. ABER: Engagement für Qualität kann, kreativ verstanden und angegangen, auch richtiggehend begeistern.
In diesem Workshop geht es um das Spannungsverhältnis zwischen QM-Systematik und begeisterter Qualitätsverbesserung, die – das ist unsere Überzeugung – (fast) alle Mitarbeiter:innen zu motivieren vermag, sofern sie nicht innerlich gekündigt haben oder bräsig ihre Zeit absitzen wollen.
JJ hat vor über 30 Jahren beim niederländischen Suchthilfeträger und seinerzeitigen Gewinner des Niederländischen Qualitätspreises JELLINEK in Amsterdam vieles abgeschaut und in die eigenen Rahmenbedingungen und Praxisfelder übersetzt.
Der Workshop startet mit einer kurzen Zeitreise : Im Interview mit Dr. Udo Nabitz, dessen Ideen und Anregungen in den 1990er Jahren den Weg aus den Niederlanden nach Frankfurt fanden, werden einige seinerzeit elektrisierende Entdeckungen und Lernprozesse zwischen Amsterdam und Frankfurt nachgezeichnet. Sabine John, die heute als Qualitätsbeauftragte die Qualitätspolitik von JJ moderiert, demonstriert am Beispiel aktueller Entwicklungsaufgaben, wie auch heute und in Zukunft kreative Qualitätsentwicklung praktiziert werden kann.
Moderation: Werner Heinz
Prof. Dr. Bernd Werse, Dipl. Psychologe Eike-Neumann-Runde und Wolfgang Rosengarten
Suchthilfestatistik: Datenfriedhof oder Materialien für die Entwicklungsabteilung?
Seit über 20 Jahren werden in den ambulanten Einrichtungen der hessischen Suchthilfe Daten erhoben. Ein jährlicher Auswertungsbericht verfolgt Entwicklungen und Trends in der Klientel, ihren Konsummustern und psychosozialen Belastungen und gibt einen Überblick über Leistungen und Inanspruchnahme von Hilfeangeboten. Das Monitoring-Systems Drogentrends (MoSyD) erhebt Informationen über den Suchtmittelgebrauch von Jugendlichen und die Frankfurter Konsumräume sammeln systematisch Erkenntnisse über ihre Nutzer:innen und die von ihnen konsumierten Substanzen und über Trends bei den Konsummustern.
Allerdings stellt sich dir Frage: Haben ihre Befunde tatsächlich eine Bedeutung für die Überprüfung und Weiterentwicklung der Hilfeangebote und deren fachliche und methodische Ausrichtung? Sind sie tatsächlich relevant für die Planungen der Träger, der Kommunen und die Suchtpolitik des Landes? Und vor allem auch: Lernen die Praktiker (oder wenigstens die Leitungskräfte) etwas aus diesen Statistiken – oder was alles könnten sie aus ihnen lernen?
Die Experten:
Prof. Dr. Bernd Werse, Goethe Universität und University of Applied Sciences Frankfurt stellt ein aktuelles „Update MoSyd“ zum aktuellen Konsumverhalten unter jungen Leuten vor.
Dipl. Psychologe Eike-Neumann-Runde thematisiert die aus seiner Sicht fünf wichtigsten praxis- und planungsrelevanten Befunde aus der seit über 20 Jahren von ihm betreuten Computergestützten Basisdokumentation der ambulanten Suchthilfe in Hessen „COMBASS“.
Wolfgang Rosengarten, Erziehungswissenschaftler und Suchttherapeut, ehemals Geschäftsführer der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen und zuletzt Leiter des Suchthilfereferats im Hessischen Gesundheitsministerium, befragt und reflektiert als Moderator des Panels zusammen mit den beiden Experten die praktische Nutzeranwendung und mögliche Nutzung ihrer sozialwissenschaftlichen Erhebungen und Auswertungen.
Prof Dr. Bernd Werse
Drogentrends unter Jugendlichen – ein Update
Seit 2002 wird in Frankfurt das Monitoring-System Drogentrends (MoSyD) durchgeführt, in dem u.a. jedes Jahr eine repräsentative Stichprobe Jugendlicher zu ihrem Substanzkonsum befragt wird. Hier zeichnet sich insbesondere in den letzten Jahren ein deutlicher Rückgang beim Gebrauch psychoaktiver Substanzen insgesamt ab. Wie die Ergebnisse im Einzelnen aussehen – u.a. wie sich vor dem Hintergrund der Teil-Legalisierung der Cannabiskonsum entwickelt hat - erfahren Sie in diesem Vortrag.
Hinweis: Der Vortrag wird im Rahmen des Panels "Suchthilfestatistik: Datenfriedhof oder Materialien für die Entwicklungsabteilung?" präsentiert.
Zur Person: Bernd Werse ist Soziologe und seit Juni 2024 Professor für Soziale Arbeit an der Frankfurt University of Applied Sciences mit Schwerpunkt Sozialwissenschaftliche Suchtforschung. Zuvor rund 25 Jahre Erfahrung mit Forschungsprojekten zum Thema Drogen. Zahlreiche nationale und internationale Veröffentlichungen, häufige Presse- und Vortragsanfragen, diverse Einladungen als Sachverständiger im Bundestag. Sprecher des drogenpolitischen Expertennetzwerkes „Schildower Kreis“, Mitherausgeber des Alternativen Drogen- und Suchtberichtes, Board Member der European Society for Social Drug Research (ESSD) sowie beim „International Journal of Drug Policy“ und „Drugs, Habits and Social Policy“. Mitherausgeber beim „Kriminologischen Journal“.
Fabian Leuschner & Dr. Nina Becker
KI in der Suchthilfe: Von den Grundlagen zur verantwortungsvollen Anwendung
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) im Bereich der Suchthilfe verspricht attraktivere Behandlungs- und Unterstützungsangebote für Ratsuchende sowie Erleichterungen für Fachkräfte. Doch wie kann dieses Potential von KI tatsächlich und verantwortungsvoll realisiert werden? Im Rahmen des Vortrags werden die allgemeinen Grundlagen, Chancen und Risiken von KI-Anwendungen beleuchtet, vorhandene Rahmenbedingungen für deren Einsatz in der Suchthilfe erläutert sowie erste Beispiele für KI-Anwendungen für die Suchthilfe vorgestellt. Anschließend werden die mit dem Einsatz von KI verbundenen Herausforderungen und Perspektiven mit den Teilnehmenden diskutiert.
Zu den Personen: Dr. Nina Becker (Dipl.-Psych.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der delphi Gesellschaft für Forschung, Beratung und Projektentwicklung mbH. Fabian Leuschner (Dipl.-Psych.) ist Geschäftsführer und Projektleitung der delphi Gesellschaft für Forschung, Beratung und Projektentwicklung mbH.
Benjamin Düwal
DigiSucht – Digitale Suchtberatung in Hessen
Informieren, Mitmachen, Unterstützen
Das DigiSucht Projekt wird in 13 Bundesländern umgesetzt und Hessen ist seit 2022 und damit von Anfang an mit dabei. DigiSucht bietet eine digitale Suchtberatungsplattform für die professionelle Suchtberatung der Träger der freien Wohlfahrtspflege und ist das einzige nichtkommerzielle, trägerübergreifende und bundesweite Beratungsplattform.
Nach einer kurzen Vorstellung von DigiSucht und aktuellen Zahlen, wollen wir gemeinsam schauen, für wen eine Nutzung der Plattform auf Seite der Beratenden und für wen auf der Seite der Ratsuchenden hilfreich und sinnvoll ist.
Ziel ist es darüber hinaus, eine breitere Bekanntheit digitaler Zugangsmöglichkeiten zur Suchtberatung herzustellen.
Dabei spielt das Fachpublikum am Sozialtag eine wichtige Rolle und Sie sind herzlich eingeladen dabei zu helfen, das Projekt voranzubringen. Dafür finden wir hier Raum und Zeit.
Zur Person: Benjamin Düwal kommt aus der Suchtberatung und aufsuchenden Jugendsozialarbeit. Er hat bei Projekten wie FriDA und SKOLL mitgearbeitet. Aktuell ist er die Landeskoordination für DigiSucht in Hessen und bei der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. angestellt.
Mag. Dr. Thomas Lederer-Hutsteiner
Suchtverhalten im Internet: Studienergebnisse und Aktionsplan
Digitale Medien sind seit einiger Zeit fixer Bestandteil des täglichen Lebens und haben enormes Potential, den Alltag in vielerlei Hinsicht zu unterstützen. Die immer früher beginnende und stetig steigende Nutzung dieser Medien hat jedoch auch negative Auswirkungen bspw. auf kognitive, soziale und gesundheitsbezogene Aspekte. Dadurch entsteht ein Spannungsfeld, insb. in Familien und Schulen, weil oftmals unklar ist, was ein verantwortungsvoller Umgang mit diesen Medien ist, wann es zu viel wird und wie darauf reagiert werden kann. Aus diesem Grunde wurden in der Steiermark im Auftrag des Gesundheitsfonds Steiermark eine Studie und ein Aktionsplan ausgearbeitet und die Ergebnisse dieser Arbeiten werden im Vortrag vorgestellt.
Zur Person: Thomas Lederer-Hutsteiner ist Klinischer- und Gesundheitspsychologe und leitet das Sozialforschungsinstitut x-sample in Graz. Er hat zum Thema seines Vortrags promoviert und ist aktuell in die Umsetzung des im Vortrag vorgestellten Aktionsplans involviert.
Dr. Kai Müller
Übermäßige und suchtartige Nutzung von Online-Sozialen Netzwerken und Online-Gambling – Zwei zu wenig beachtete Felder in der Prävention und Beratung
Die Computerspielsucht ist seit Jahren sowohl im niederschwelligen wie auch im sog. höherschwelligen Hilfesystem ein fester Begriff. Beraterinnen und Berater kennen sich immer besser mit diesen beiden Störungsbildern, die unter dem Begriff „Internetnutzungsstörungen“ zusammengefasste werden, aus.
Anders sieht es aus bei der sogenannten „Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung“, was nichts anderes bedeutet als der unkontrollierte und exzessive Konsum von Social Media Inhalten, wie etwa Instagram, Facebook, Tiktok usw. Hier erleben wir, dass Betroffene ganz ähnliche einschneidende Symptome entwickeln, wie wir es leider bei der suchtartigen Nutzung von Computerspielen seit Jahren erleben müssen. Hier erleben wir zudem, dass vor allem Mädchen und Frauen betroffen sind und diese sich leider zu selten an das Hilfesystem wenden. Auch beim Online-Gambling erleben wir ähnliche Effekte: Betroffene sind hier zwar häufig männlich, aber auch hier findet eine Art „stille Sucht“ statt.
Der Vortrag soll auf diese zwei wenig beachteten Störungsbilder, welche erheblichen Leidensdruck verursachen und Lebenswege zerstören können, eingehen, den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung exemplarisch vermitteln und Hinweise zum Umgang mit diesen Betroffenengruppen aufzeigen.
Zur Person: Dr. Kai W. Müller ist Diplompsychologe und wissenschaftliche sowie klinische Leitung der Ambulanz für Spielsucht der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz.
Wolfgang Rosengarten
Herausforderungen meistern, Lösungen finden: 50 Jahre Drogenhilfesystem im Wandel
Das heutige Drogenhilfesystem ist mit der Drogenhilfe von vor fünfzig Jahren kaum zu vergleichen. Drogenhilfe ist per se ein sehr dynamisches Arbeitsfeld. Neben der Weiterentwicklung der fachlichen Ansätze in den letzten Jahrzehnten wird im Rückblick deutlich, wie aktuelle gesellschaftspolitische Strömungen die jeweilige Drogenpolitik und die daraus abgeleiteten Maßnahmen und Arbeitsansätze die Arbeit der Drogenhilfe beeinflusst haben.
Das Drogenhilfesystem hat in den letzten Jahrzehnten bewiesen, dass es auf die unterschiedlichsten Herausforderungen reagieren kann. Die Angebote heute entsprechen wissenschaftlichen Behandlungsstandards, sind ausdifferenziert und qualitätsgesichert. Kaum ein Bereich der freiwilligen Leistungen im psychosozialen Bereich kann so dezidiert nachweisen, wofür die erhaltenen öffentlichen Mittel verwendet werden.
Fazit: Auch nach fünfzig Jahren werden die adäquate Drogenhilfeangebote heute mehr gebraucht denn je.
Zur Person: Wolfgang Rosengarten ist Erziehungswissenschaftler und Suchttherapeut. Aufgrund seiner Tätigkeiten in der klinischen Praxis, als Geschäftsführer der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen sowie als Leiter des Suchthilfereferats im Hessischen Gesundheitsministerium verfügt er über langjährige Expertise im Suchtbereich. Heute arbeitet er als Berater und Gutachter für Projekte und Gremien im Suchtbereich auf Bundes- und Länderebene. Suchthilfeträger berät er bei konzeptionellen und organisatorischen Fragestellungen.
Said Khatib
Wenn einen die Pornos nicht mehr loslassen – Neues zur Pornografie-Nutzungsstörung
Die Nutzung von Pornografie ist vor allem für Männer heute sehr beliebt. Während für die Meisten der Konsum unproblematisch ist, verlieren Einige die Kontrolle über ihre Nutzung und zeigen ein zwanghaftes, süchtiges Konsumverhalten. In der Veranstaltung wird das Krankheitsbild und Gründe für die Entstehung einer Pornografie-Nutzungsstörung beschrieben. Abschließend werden therapeutische Interventionen, die im laufenden multizentrischen Projekt PornLoS eingesetzt werden, vorgestellt.
Zur Person: Said Khatib (M.Sc. Psychologie) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Psychotherapie und Systemneurowissenschaften am Fachbereich Psychologie & Sportwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Zur Zeit strebt er eine Promotion am Fachbereich sowie eine Approbation als psychologischer Psychotherapeut (VT) an. Seit 2023 wirkt er am Projekt " PornLoS – Pornographie-Nutzungsstörung effektiv behandeln – Leben ohne Suchtdruck" mit - einem vom Innovationsfond des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördertes Projekt zur Behandlung von Pornografienutzungsstörung.
Melanie Zeinali
„Über den Mut, in einer Welt, in der alles möglich ist, nicht alles möglich zu machen." - Eine lyrisch-philosophische Reise zur Suchtprävention
Die Teilnehmenden werden auf eine kleine Gedankenreise zur Suchtprävention mitgenommen. Wir suchen aus verschiedenen Blickwinkeln Antworten auf die Frage, was hinter dem Bedürfnis nach Rausch und Ekstase stecken könnte und wie wir diesem im Sinne der Suchtprävention im Alltag begegnen können.
Zur Person: Melanie Zeinali Yazdi (Dipl. Des.) ist seit 2004 beim Verein Jugendberatung und Jugendhilfe tätig und arbeitet in der Suchtprävention. Sie hat ein Zusatzstudium „Lehren lernen – Lernen lehren“ absolviert und ist anerkannte Fachkraft für Suchtprävention und HaLT Proaktiv-Fachkraft in Wiesbaden.